Digitale Events sind seit der Pandemie ein fester Bestandteil der Informationsvermittlung und der Kommunikation. Sie funktionieren allerdings nach ihren eigenen Gesetzen und sind nur dann wirklich erfolgreich, wenn bestimmte Regeln erfüllt werden.
Wer jedoch berücksichtigt, dass sich die Herangehensweise an digitale Events von analogen Events unterscheidet, kann sein Publikum mitreißen und überzeugen. So wie Chris Cuhls, Regisseur, Konzeptioner und Show-Producer. Wir haben Ihm einige Fragen gestellt.
Chris, Du hast sehr viel Erfahrung in der TV-Eventbranche. In deinem Buch „WHY HOW WOW“ und deinem Podcast „What´s Next? – Events im Wandel” (33 Gespräche, abrufbar über Spotify oder iTunes) gibst Du uns spannende Einblicke in das Thema Online-Events. Jetzt würde uns interessieren:
Was sind für Dich die drei größten Learnings aus mehr als zwei Jahren Online-Events?
Eigentlich habe ich sieben große Learnings, aber wenn ich mich auf drei festlegen muss:
Umso digitaler, desto analoger. Menschen fühlen sich in Umgebungen wohl, die sie (wieder er)kennen. Besser ein SetDesign mit geerdeter Holzwand im Hintergrund als ein LED Screen. Lieber es menschelt als der perfekt inszenierte Avatar. Authentizität sticht Digitalität.
Reize, Reize, Reize. Die Aufmerksamkeit erodiert im Digitalen. Deshalb permanent Reize setzen: Ob durch Bildschnitte, Musik oder Abwechslung jeglicher Art. Und insgesamt kürzere Formate machen.
Mut zu Neuem. Wer ausprobiert kann scheitern, dadurch ist die Lernspirale jedoch wesentlich besser. Im Neuland gibt es keine Grenzen mehr – nur unser Hirn und altes Denken behindert uns. Daher werden Mutige belohnt.
Welches Online-Event, an dem Du als Gast teilgenommen hast, hat Dich am meisten begeistert und warum?
Das war wohl das Tomorrowland zu Silvester 2020, ein weltweit übertragenes Musikevent für die elektronische Musik-Szene. Tomorrowland ist normalerweise ein gigantisches Open-Air-Musikfestival in Belgien, das wegen Corona nicht stattfinden konnte. Die Bildwelten, Kamerafahrten, das Erleben, waren schon auf besondere Weise ins Digitale übertragen.
Sonst hab ich selten als Gast konsumiert. Und da, wo ich selbst Gestalter war, hat mich wenig begeistert. Weil vieles zu kurzfristig, lieb- wie mutlos und oft mit zu wenig Budget umgesetzt wurde. Das geht wesentlich besser!
Mit welcher Idee konntest Du bei einem Online-Event Begegnungen ganz außergewöhnlich inszenieren, so dass die Teilnehmer und Teilnehmerinnen diese Begegnungen niemals vergessen werden?
Gute Ideen kosten nicht zwangsläufig immer viel Geld. Manchmal sind es die kleinen Dinge, die aufmerken lassen. Gerade in der digitalen Flut sind es die menschlichen Momente, die Authentizität und damit Nähe schaffen. Stolz bin ich den ersten digitalen Parteitag in Deutschland konzipiert und realisiert zu haben – in diesem Fall für die CDU. Selbst der Spiegel urteilte: „Perfekte Inszenierung, tolle Regie!“
Auf diesem digitalen Event gab es neben einiger gelungener Gemeinschaftsmomente – vom Singen bis zur Würdigung Verstorbener – für mich einen besonders einprägsamen Moment, auch wenn er heute sehr weit weg erscheint. Das war, als Armin Laschet die Erkennungsmarke seines Bergbau-Vaters aus der Hosentasche zog und erzählte, dass er sie Ihm als Glücksbringer mitgegeben hat. Es ging darum Vertrauen aufzubauen. Sehr gekonnt – war aber seine Idee.
Welche Tipps würdest Du den Junioren und Juniorinnen zum Thema „Online Events“ mitgeben, die gerade erst als Projektleiter bzw. Projektleiterin gestartet sind?
Eigentlich wie schon immer: Klare Ziele definieren und immer neugierig bleiben, Mut haben. Auf meinem Blog sammle ich viele hilfreiche Tipps. Eine Frage, die ich bei jedem Projekt stelle ist:
»Welche BOTSCHAFT
soll welche ZIELGRUPPE
über welche KANÄLE erreichen,
damit welche WIRKUNG erzielt wird?«
Wie das in die Event-Gestaltung einfließt erkläre ich hier. Ich möchte aber auch Mut machen in andere Disziplinen zu schauen. Wir können so viel von TV-Talkshows und auch aus dem Gaming lernen. Am Ende: Dran bleiben, dann wird Schönes entstehen!
What´s Next? Was ist Deine persönliche Prognose für die Entwicklung der Online-Events in den nächsten 3 Jahren?
Alles was mit Liebe gestaltet wird hat Bestand – sagte Wim Wenders mal. Das kann natürlich als klischeehaft abgetan werden, für mich stimmt es aber. Gutes wird sich durchsetzen – braucht aber Zeit. Grundsätzlich wird sich das Rad nicht mehr zurückdrehen lassen. In vielen Dimensionen zum Glück!
Wir werden das Beste aus den Welten verbinden, was im Zweifel aber auch doppelten Aufwand bedeutet. Kunden besondere Erlebnisse bieten zu können, aber gleichzeitig auch die Budgets dafür zu bekommen wird die Aufgabe sein.
Colja Dams kommentierte kürzlich: Es ist wie mit den Reifenwechseln der Deutschen – O bis O. Von Ostern bis Oktober die Sommerreifen (sprich: physische Events), dann Winterreifen (ergo: digitale Varianten). In diesem „nächsten Normal“ mit vielen Unwägbarkeiten, aber auch bisher undenkbaren Möglichkeiten werden wir uns einrichten müssen.
Welche Rolle wird das Metaverse bei Online-Events spielen?
Das können wir aktuell nur mutmaßen – wir sehen die vielen explorativen Unternehmungen wie bei Journee, die auch für die Eventszene hoffen lassen. Gleichzeitig aber auch die Resignation ganzer Klientel vor diesem „Gedöns“.
Fest steht: Das Metaverse ist neu, aufregend und hält Interessierte wesentlich länger in Bann als der social media feed. Entsprechend werden Unternehmen diese Aufmerksamkeitsspanne als Chance zu wissen nutzen. Im Corporate Event wird es aber noch etwas dauern bis es sich durchsetzt. Meine fünf Cent – ohne den Hype.